Die Geschichte hinter Ronja
„Ich schreibe Märchen und die Menschen brauchen Märchen. So war das schon immer. Und so ist es immer noch.“ Das hat Astrid Lindgren gesagt, als Ronja Räubertochter 1981 der Presse vorgestellt wurde.
Eins der Lieblingsbücher von Astrid Lindgren war „Walden oder Leben in den Wäldern“ von Henry David Thoreau, das davon handelt, wie der Schriftsteller sich eine Blockhütte aus den Materialien des Waldes gebaut und versucht hat, so einfach und einsam wie möglich zu leben, weit weg von der materialistischen Stadtkultur, der er entflohen war. Da Astrid in der Stadt wohnte, konnte sie nicht immer in der Natur sein - außer in ihrer Fantasie. So fing die Geschichte über Ronja an - als eine Sehnsucht nach der Natur.
Graugnome und andere Wesen
Die Natur um Ronja steckt voller übernatürlicher Wesen. Vor allem ist sie bevölkert mit fantastischen, mehr oder weniger gefährlichen, beraubenden Mächten. Die Forscherin Vivi Edström hat darauf hingewiesen, dass Astrid Lindgren den Dialog mit der Tradition der Waldromantik, Waldgeister und Waldmärchen aufnimmt. Aus diesen Märchen erinnern wir uns an Trolle und Riesen, Hulder und Elfen. Astrid Lindgren hat jedoch ihre eigenen mythischen Waldbewohner geschaffen, die traditionellen Märchenfiguren ähneln, jedoch trotzdem für etwas Neues stehen: Graugnome, Wilddruden und Rumpelwichte ... Dass Astrid Lindgren es mit ihren Wesen genau nahm, musste ein schwedischer Schulbuchverlag erfahren, als er in einem Religionsbuch zu einem Ausschnitt aus Ronja Räubertochter schrieb, dass die Graugnome „in Wirklichkeit ganz normale graue Steine“ waren. Astrid Lindgren schrieb in einem Brief an den Verlag im Jahre 1985: „Und wer erlaubt sich eine so übereifrige, um nicht zu sagen einfältige, Interpretation? Die Graugnome sind - lasst euch das gesagt sein - die abscheulichsten kleinen Lebewesen (obschon feige), die jemals ein Kind zu Tode erschreckt haben.Und kein erwachsener Schlaumeier und Zerstörer wird mit meinen Einverständnis 6000 Kindern einhämmern, dass es „in Wirklichkeit“ keine Märchen gibt.“
Themen in Ronja Räubertochter
Neben der Natur und dem Wald gibt es noch andere Themen in Ronja Räubertochter. Das Männliche und das Weibliche treten in der Erzählung deutlich hervor: Ronjas Mutter Lovis hat sich entschieden, dass das Kind ein Mädchen wird, und dass dieses Mädchen ein Räuberhauptmann wird, ist für die beiden Eltern eine Selbstverständlichkeit. Lovis ist eine starke Frau, sie ist eine Lebensquelle und ein Vorbild für Ronja. Ihr Name ist ein Verweis auf die Liebe. Ronjas Vater Mattis wird als das große Kind des Buches beschrieben, während Lovis diejenige ist, die die Männer zur Arbeit anhält, sie bei Bedarf rauswirft und dafür sorgt, dass sie sauber und satt sind. Ronjas Befreiung von ihren Eltern und das klassische Thema des Erwachsenwerdens sind ein weiterer roter Faden in dem Roman, genau wie die Romeo-und-Julia-Geschichte. Die Liebe zwischen Ronja und Birk ist jedoch in erster Linie nicht romantisch, sondern sie betont die Seelenverwandtschaft und das Band der natürlichen Zusammengehörigkeit. Sie „... verbinden sich liebevoll miteinander“, wie Astrid Lindgren es in einem Interview in Zusammenhang mit dem Erscheinen des Buches formuliert hat. Die wichtigste Beziehung in dem Buch ist eigentlich die zwischen Ronja und ihrem Vater Mattis.
Der letzte Roman
Ronja Räubertochter war der letzte Roman, den Astrid Lindgren im Alter von 71 Jahren geschrieben hat. Nach 1981 kamen keine Romane mehr, sondern nur noch Bilderbücher. Das zentrale Thema von Ronja Räubertochter, das Verhältnis des Menschen zur Natur, sollte das letzte große Engagement in ihrem Leben werden: der Kampf für das Wohlergehen der schwedischen Haustiere und der Erhalt der offenen Landschaft in Schweden. Die Tierschutzkampagne erstreckte sich über zehn Jahre in den 80er und 90er Jahren und Astrid Lindgren wurde für die grüne Bewegung zu einer wichtigen Kraft in der Debatte.
Quellen:
Ihr Leben, Jens Andersen
Man tar vanliga ord, Lena Törnqvist
Astrid Lindgren och sagans makt, Vivi Edström